Kommunikations- und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Vowe (Foto: Geert Oeser)
Am besten "weder Schraubzwinge noch Pudding"
Wilhelmshaven. Was ein Händedruck in unterschiedlichen Situationen alles bedeuten kann und wie diese Jahrhunderte alte Geste an die Logik und Spielregeln der Medien angepasst wird, davon wusste der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Vowe von der Heinrich-Heine-Universität am gestrigen Donnerstagnachmittag an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven ebenso fundiert wie unterhaltsam zu berichten.
Mit seinem Vortrag „Mediatisierte Gesten: Zur Evolution des Händedrucks in der politischen Kommunikation“ eröffnete er die Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus (InMWJ), die in diesem Semester unter der Überschrift „Mit Sinn und Verstand: Wissenschaft und Praxis der Kommunikation“ steht.
Ganz ähnlich, wie sich zum Beispiel die Fußball-Bundesliga in Sachen Stadionarchitektur, Regeländerungen, Anstoßzeiten, Verhalten beim Torjubel und in vielem mehr am ökonomischen Erfolg und damit an ihrer Haupteinnahmequelle – den Fernsehrechten – orientiere, so erklärte Vowe, habe sich unter anderem auch die Politik auf die Medien ausgerichtet. Denn Machterhalt sei an Medienorientierung gebunden. Wie dabei der Händedruck als Symbol mediatisiert wird, machte er an Beispielen für Begegnungen mit politischer Bedeutung deutlich – mit Hilfe von vielen Bildern, häufig mit einem Augenzwinkern und gern auch mit lockeren Sprüchen in Berliner Mundart, die bei den Studierenden, Lehrenden und externen Gästen im voll besetzten Seminarsaal gut ankamen.
Vowe nannte zuerst den Händedruck beim Bad in der Menge: „Gern von Politikern in Wahlzeiten genutzt. Der Politiker nähert sich den Bürgern, fasst so viele Hände wie möglich und strahlt und grüßt.“ Und – damit einhergehend – den „Händegrabsch“: Bürger greifen nach den Händen des Politikers, „denn dann werden sie von denen berührt, die alle aus dem Fernsehen kennen“. Das müsse natürlich auch gleich mit der eigenen Digitalkamera dokumentiert werden, denn sonst sei es ja nicht wirklich geschehen. „Der eigentliche Adressat des Politikers sind aber nicht die Bürger, sondern das Fernsehen: Er zeigt öffentlich seine Volksverbundenheit und Beliebtheit.“
Ein anderes Beispiel: Der Händedruck beim Staatsbesuch, der für die Fotografen auf das 20-fache der eigentlich üblichen Länge ausgedehnt wird. Dabei schauen sich die Beteiligten nicht etwa in die Augen, wie es sich bei dieser uralten Geste eigentlich gehört, sondern lächeln in die Kameras: „Frau Bundeskanzlerin, bitte hierher schauen!“
Die Bedeutung des Händedrucks sei hier, so Vowe, dass man sich von gleich zu gleich, auf Augenhöhe begegne. Damit dieses „auf Augenhöhe“ auch wirklich zutrifft, wurde Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy, nicht gerade hoch gewachsen, beim Zusammentreffen mit größeren Staatsgästen schon mal eine Treppenstufe höher postiert – sieht ja einfach besser aus. „Und Saddam Hussein“, erzählte Vowe, „soll beim Händedruck seine Hand schon so tief angeboten haben, dass der andere sich auch gleich verbeugen musste.“
Große mediale Aufmerksamkeit erhielt der von US-Präsident Barack Obama schon bei der Nominierung als Kandidat der Demokraten kultivierte Fauststoß (auch „fist bump“ oder „knuckle knock“). Den gab es erst mit Ehefrau Michelle, dann auch in anderen öffentlichen Begegnungen mit Soldaten und politischen Anhängern. „Diese Geste hat sogar eine eigene Website“, berichtete Vowe. Dass Kanzlerin Angela Merkel mit Ehemann Joachim Sauer die „Knuckles knockt“ oder sich Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht im einem „High Five“ in Szene setzen, könne er sich aber noch nicht so recht vorstellen.
Besondere Bedeutung habe der Händedruck auch beim Friedensschluss – zwischen Repräsentanten politischer Mächte ebenso wie zwischen Sportlern: „Kein Händedruck – kein Friedensschluss.“ Der Händedruck stehe hierbei für ein Versprechen, sich an das Vereinbarte zu halten und sei ein dauerhaftes Zeichen für Versöhnung und gegenseitige Verpflichtung. „Das wird natürlich auch sorgfältig inszeniert“, erklärte Vowe, „und zwar für die Geschichtsbücher.“
„Der Händedruck ist also viel mehr als Dekoration“, resümierte der Referent. „Er lässt die Beteiligten persönlich für etwas einstehen. Ohne solche Symbole gibt es kein Vertrauen.“ Und als ein solches Symbol sei der Händedruck deshalb so gut geeignet, weil jeder eine Vorstellung davon habe, wie ein ordentlicher Händedruck sein müsse, nämlich: „Weder Schraubzwinge noch Pudding.“
(Text: Katrin Busch)