Nach dem Interview (Bhandar): Laxmi Tamang, Dr. Beate Illg, Doma Chirring Lama (v.li n. r.). Foto: Beate Illg
Journalisten in Nepal: Wächter oder Handlanger?
Wilhelmshaven. Um Selbstverständnis und Selbstbild nepalesischer Journalistinnen und Journalisten geht es in einem aktuellen Forschungsprojekt der Jade Hochschule. Dabei untersucht die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Beate Illg, Verwalterin einer Professur im Studiengang Medienwirtschaft und Journalismus, welche Rolle sich nepalesische Journalistinnen und Journalisten im Prozess der Demokratieentwicklung in ihrem Land zuschreiben: Sehen Sie sich als Wächter, als eine Art „vierte Gewalt“ im Staat? Oder doch eher als „Handlanger“ der Politik? „Diese Frage ist vor allem im Hinblick auf die besondere politische Entwicklung des Landes interessant“, erklärt Illg.
Die Wissenschaftlerin hat Interviews mit nepalesischen Journalistinnen und Journalisten sowohl in Kathmandu als auch in einer ländlichen Region – in dem Ort Bhandar in der Region Solukhumbu – geführt, um deren Selbstbild im Kontext der Demokratieentwicklung zu analysieren. Derzeit werden die Interviews transkribiert und anschließend ausgewertet. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist für Jahresende geplant.
Einen ersten Einblick kann die Wissenschaftlerin aber schon einmal geben: „Fast alle Journalistinnen und Journalisten, die ich interviewt habe, sind hoch motiviert und fühlen sich vor allem ihren Landsleuten verpflichtet. Und das, obwohl sie in der Regel schlechte Arbeitsbedingungen haben und häufig einen zweiten Job ausüben müssen, um überleben zu können.“
Erst 2008 wurde die „Demokratische Bundesrepublik Nepal“ (Federal Democratic Republic of Nepal) ausgerufen. Zuvor, erklärt die Wissenschaftlerin, litten das Land und vor allem die Zivilbevölkerung unter einem zehnjährigen Guerillakrieg (1996-2006), den die Maoisten gegen die Monarchie führten.
Mit der Abdankung des Königs und den ersten demokratischen Wahlen im Frühjahr 2008, bei denen die maoistische Partei als eindeutiger Sieger hervorging, ist jedoch noch längst keine Ruhe in dem Himalaya-Staat eingekehrt. Die Kämpfe wurden zwar eingestellt, politisch ist das Land jedoch instabil: „Kein Ministerpräsident hat sein Amt wesentlich länger als ein Jahr bekleidet, und die Verabschiedung einer Verfassung scheitert immer wieder an politischen Kontroversen“, fasst Illg zusammen.
So sei Nepal zwar einerseits bemüht, das Konstrukt Demokratie mit Leben zu füllen, gleichzeitig sei das Land aber auch von Korruption geprägt. Umso wichtiger schätzt Beate Illg die Rolle der Medien als „demokratisches Korrektiv“ ein: „Mit den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen im Land geht eine rasante Entwicklung im Medienbereich einher. Die Zahl der Zeitungen und vor allem der Radiosender steigt immens, die Qualität ist allerdings sehr unterschiedlich.“ Neben hochwertigem und investigativem Journalismus, der westlichen Maßstäben entspreche, gebe es eben auch den von Parteien und Interessensverbänden gesteuerten „Verlautbarungsjournalismus“ – sowie all die Facetten, die dazwischen zu verorten seien.
Als „vierte Gewalt“ im Staat seien die Medien in Nepal nur eingeschränkt zu sehen, so Illg – wenn auch mit wachsender Tendenz. Von einer demokratiefördernden Funktion der Medien könne demzufolge nur begrenzt ausgegangen werden. Dazu komme das große Gefälle hinsichtlich Bildung und Zugang zu Informationen zwischen der Hauptstadt Kathmandu und den zum Teil sehr entlegenen ländlichen Regionen in Nepal.
Die Mittel zur Finanzierung des Forschungsprojektes hatte die Kommission für Forschung, Wissens- und Technologietransfer der Jade Hochschule bereitgestellt.