Durch den Anstieg des Meeresspiegels wäre der Abfluss des Wassers über die Siele laut Modellergebnissen Ende des Jahrhunderts nicht mehr möglich. Foto: I.EVE
Schutz der Küstenregion vor Überschwemmung
Der Klimawandel führt dazu, dass die Entwässerungssysteme von Niederungsgebieten aufgrund von Meeresspiegelanstieg und zunehmenden Niederschlagsmengen an ihre Belastungsgrenze stoßen. Wissenschaftler_innen der Jade Hochschule und der Universität Oldenburg untersuchen derzeit, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Wasserhaushalt an der ostfriesischen norddeutschen Küste hat und welche alternativen Lösungen für die Entwässerung möglich wären.
Die Hochschulen führen das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geförderte Projekt „Klimaoptimiertes Entwässerungsmanagement im Verbandsgebiet Emden“ (KLEVER) in Zusammenarbeit mit dem Ersten Entwässerungsverband Emden (I.EVE) und weiteren Partnern aus der Region durch.
Kapazität des Entwässerungssystems ist Mitte des Jahrhunderts ausgeschöpft
Basierend auf Klimamodellen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung berechneten die wissenschaftliche Mitarbeiterin
Jenny Kebschull und Projektleiter
Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule mithilfe eines regional angepassten hydrologischen Modells mögliche Veränderungen des Wasserhaushalts. Einflüsse, die sich in Zukunft auf das Entwässerungssystem in der Region auswirken, sind die höheren Winterniederschläge, die Versiegelung von Grünflächen und der Anstieg des Meeresspiegels.
Höhere Niederschläge in den WintermonatenDie Simulationsergebnisse zeigen, dass der Klimawandel einen deutlichen Anstieg des Abflussaufkommens in den Wintermonaten bewirken wird. „Niederschläge, die heute noch als Extremereignisse eingestuft werden, werden zukünftig häufiger auftreten“, erklärt Bormann. In den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar werde das zu entwässernde Wasservolumen bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 15 Prozent ansteigen. Bis zum Ende des Jahrhunderts können es sogar 20 Prozent sein. Dies entspräche dem halben Volumen der Thülsfelder Talsperre, das im Winter zusätzlich gepumpt oder gesielt werden müsste. Im Gebiet des Ersten Entwässerungsverbandes Emden gibt es zwei Haupt Siel- und Schöpfwerke, die das Wasser ins Meer leiten. Die Kapazität dieser Werke sei jedoch schon jetzt ausgeschöpft.
Zunehmende FlächenversiegelungDie Analyse zeigt auch, dass eine zunehmende Flächenversiegelung – Bebauung, die verhindert, dass der Niederschlag im Boden versickern kann – die Entwässerungsherausforderung noch verstärken wird. „Im Verbandsgebiet werden pro Jahr aktuell rund 63 Hektar versiegelt - das sind etwa 126 Fußballfelder Grünflächen, die durch Gebäude, Parkplätze, Verkehrswege und weitere Bauwerke zugebaut werden“, erklärt Kebschull. Wenn die Versiegelung mit der aktuellen Rate weiter voranschreitet, würde der Entwässerungsbedarf bis Mitte des Jahrhunderts in den Wintermonaten um weitere zwei Prozent und bis Ende des Jahrhunderts insgesamt um vier Prozent ansteigen.
Anstieg des MeeresspiegelsNeben der Flächenversiegelung sei auch der Anstieg des Meeresspiegels ein Problem. „Bisher werden die Siele bei Ebbe geöffnet, so dass das Wasser ohne den kostenintensiven Betrieb der Pumpen abfließen kann“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wenn der Meeresspiegel wie in den Klimaszenarien beschrieben ansteigt, wird der Wasserstand zur Ebbe seltener niedrig genug sein um die Siele zu benutzen.“ In dem Fall ist der Entwässerungsverband auf seine Pumpen angewiesen. „Der Energieaufwand hierfür ist enorm“, sagt Kebschull. Laut Modellergebnissen wäre der Abfluss des Wassers über die Siele Ende des Jahrhunderts nicht mehr möglich: „Die Anzahl der Stunden, in denen das Sielen möglich ist, wird sich bis 2045 halbieren. Im Jahr 2070 wird der Sielzeitraum nur noch ein Viertel des jetzigen betragen, bevor das Sielen Ende des Jahrhunderts nur im besten Fall noch als Entwässerungsmöglichkeit genutzt werden kann“, erklärt die Expertin.
Partner in der Region
Für den Entwässerungsverband sei es essentiell zu erfahren, wie lange er sich auf die Leistung der vorhandenen Entwässerungsinfrastruktur noch verlassen kann, so Projektleiter Bormann. „Für alle Akteure in der Region ist die Dimension der Veränderung, die auf sie oder die nächste Generation zukommen wird, ein wichtiger Anhaltspunkt, um die Folgen des Klimawandels greifbar zu machen und vorausschauend planen zu können.“Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden im November auf dem 3. KLEVER-Akteursforum vorgestellt. Welche Maßnahmen für die Region denkbar sind, diskutieren die Akteure beim kommenden Forum Ende Januar. „Gerade der Prozess der Kommunikation und Vernetzung unter den Akteuren ist von zentraler Bedeutung“, betont der Projektleiter, „da nur im Konsens Maßnahmen, die Auswirkungen auf die ganze Region haben, realistisch umgesetzt werden können.“
Bild unten:
Der tiefste Punkt des Einzugsgebietes des I.EVE (siehe Bild) liegt drei Meter unter dem Meeresspiegel. Ohne die Entwässerungsgräben wäre das Gebiet zu nass um hier Landwirtschaft zu betreiben. (Foto: Kebschull/Jade HS)