Prof. Dr. Martin Hansen, Eugen Rasumow und Prof. Dr. Matthias Blau (v.li.) vom Institut für Hörtechnik und Audiologie präsentieren den neu entwickelten virtuellen Kunstkopf - ein System aus Mikrofonen, das nachbildet, wie sich ein Geräusch für eine bestimmte Person in einem gegebenen Raum anhört.Foto: Piet Meyer
Wissenschaftler der Jade Hochschule entwickeln „virtuellen Kunstkopf“
Oldenburg. Forscher des Instituts für Hörtechnik und Audiologie (IHA) der Jade Hochschule haben jetzt einen virtuellen Kunstkopf entwickelt - ein System aus Mikrofonen, das nachbildet, wie sich ein Geräusch für eine bestimmte Person in einem gegebenen Raum anhört. „Wir können mit unserem System virtuell Personen in bestimmte Räume versetzen“, sagt Projektleiter Dr. Matthias Blau. „Und sie dort mit ihren eigenen Ohren hören lassen.“
Wie das funktioniert, erklärt der Professor für Elektroakustik: „Schall umgibt uns als Wohlklang, Musik, Sprache oder Lärm. Wie wir Geräusche wahrnehmen und bewerten, ist an die Richtung des eintreffenden Schalles geknüpft.“ Mit bisher schon existierenden „Kunstköpfen“ - naturgetreue Nachbildung des menschlichen Kopfes mit Mikrofonen in den Ohren - könne man den Weg des Schalls bis zum Trommelfell des Hörers imitieren. Dies sei jedoch nicht sehr flexibel. „Ob jemand groß ist oder ein kleines Kind, eine Brille trägt oder einen Bart – der Schall wird unterschiedlich reflektiert. Um herauszufinden, wie eine Person etwas hört, müsste man jeweils einen individuellen Kunstkopf herstellen.“ Das sei schon aufgrund der Kosten nicht möglich.
Eine flexiblere Alternative zu herkömmlichen Kunstköpfen haben die Wissenschaftler der Jade Hochschule jetzt entwickelt: Die Nachbildung des menschlichen Kopfes wird durch eine Mikrofonanordnung ersetzt, deren aufgenommene Signale im Nachhinein verarbeitet werden. Ganz ohne Menschen geht es aber nicht. Bevor der virtuelle Kunstkopf eingesetzt werden kann, muss bei einer Versuchsperson gemessen werden, wie der Schall ins Ohr trifft – ein individuelles „Richtungsmuster“ wird erstellt.
Einmal gemessen ist das „Hörvermögen“ dieser Person jedoch flexibel einsetzbar und leicht standardisierbar. „Wenn beispielsweise ein Hersteller von Automobilen die Fahrzeuggeräusche testen möchte, kann er mit unserer Entwicklung erst messen, wie eine Versuchsperson hört, sie dann virtuell in einem Fahrzeug durch die Gegend fahren lassen und so das Hörerlebnis speichern“, erklärt Blau. „Dieser Versuch kann unproblematisch mit unterschiedlichen virtuellen Personen wiederholt werden und die Ergebnisse sind später gut zu vergleichen.“ Auch in der Beurteilung von Lärm könne die Entwicklung eingesetzt werden, in der Raumakustik oder der räumlichen Übertragung von Musik- und Sprachaufnahmen.
Der Virtuelle Kunstkopf besteht aus 24 kleinen Mikrofonen, die in einer besonderen Anordnung auf einer Platte befestigt sind. „Je mehr Mikrofone wir verwenden, desto genauer, aber auch störanfälliger ist das System“, sagt Eugen Rasumow, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule, der zu diesem Thema promoviert. Daher lag ein Forschungsschwerpunkt darin, durch Hörversuche herauszufinden, welche Informationen überhaupt gebraucht werden. „Nicht alles, was man messen kann, hört man auch. So war es eine Herausforderung, das System so zu programmieren, dass es möglichst robust ist und nur die relevanten Informationen beim Gerät ankommen – jedoch ohne Unterschied zum gehörten Original.“
An dem Forschungsprojekt sind neben Prof. Dr. Matthias Blau, Prof. Dr. Martin Hansen und Eugen Rasumow vom Institut für Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule auch drei Professoren des Instituts für Physik der Universität Oldenburg beteiligt. Projektpartner aus der Industrie ist die Firma Akustik Technologie Göttingen, die ein entsprechendes Produkt aus den Forschungsergebnissen erstellen möchte. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Bevor der virtuelle Kunstkopf eingesetzt werden kann, wird im reflexionsarmen Raum gemessen, wie der Schall in das Ohr einer Versuchsperson trifft. Einmal gemessen ist das „Hörvermögen“ dieser Person flexibel auch in anderen Räumen einsetzbar.Foto: Piet Meyer