Menschen
Studierende berichten
08.05.2017

Insbesondere die Simulationsrunden sorgten für eine tiefe, aber spielerische Wissensvermittlung. Foto: Piet Meyer/Jade HS
Bauprojekte beschleunigen und effizienter abwickeln
Anm. d. Red.: In der Reihe "Studierende berichten" haben Studierende die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zum Studium und zur Jade Hochschule frei und unzensiert zu äußern. Um die Authentizität der Beiträge zu erhalten, nimmt die Redaktion keinerlei Änderungen vor.Die deutsche Bauwirtschaft kämpft seit Jahren mit einer unterdurchschnittlichen Produktivitätsentwicklung im Vergleich zu anderen Industriezweigen. Gründe hierfür sind insbesondere schlecht abgestimmte Prozesse, Nacharbeit und Verschwendung während der Projektlaufzeit. Dass es auch anders geht, konnten Studierende des Master-Studiengangs Management und Engineering im Bauwesen der Jade Hochschule Ende April in einem zweitägigen Workshop zum Thema Lean Construction Management praktisch erfahren.
"Ziel ist es, dass die Studierenden die Perspektive wechseln und starre, traditionelle Projektstrukturen hinterfragen, um mehr Transparenz in die Planungs- und Ausführungsprozesse zu bringen", sagt Christian Hiery von der DS Consulting Process & Organization GmbH, der zusammen mit seiner Kollegin Mehrnoush Nayebi den Workshop leitete.
Die Simulation
Nach einer theoretischen Wissensvermittlung, errichten die Studierenden gemeinsam ein Gebäude anhand eines Modells, um die Funktionsweise von Lean Construction Management in Bauprojekten praktisch darzustellen. Dabei verkörpern sie selbst die Gewerke wie Trockenbau, Elektro oder Heizung Lüftung Sanitär, kurz HLS. Das Ziel ist die schnellstmögliche Fertigstellung des Erdgeschosses unter Beachtung der Qualität.Spielrunde 1 – Es herrscht Chaos
Die Zeit wird gestoppt, der Bau beginnt. Die Studierenden eilen zu den Tischen, auf denen die "Baumaterialien" unsortiert lagern. Die Leitungen für Heizung und Elektro müssen aus farbigen Strohhalmen nach vorherigem Messen zugeschnitten und anschließend verbaut werden. Trockenbauwände sind wie LEGO Klötze zu stellen. Besonders schweißtreibend sind die Malerarbeiten für Marc Puchler, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Workshop begleitet. Er muss den Putz und die Tapeten im Akkord aus farbigem Papier ausschneiden.Schon nach kurzer Spielzeit herrscht das reinste Chaos auf der Baustelle. Die Gewerke stehen sich im Weg und diskutieren, wer was warum zu verschulden hat. Es hagelt Behinderungsanzeigen, bis nach satten 32 Minuten der letzte Boden verlegt ist.
Nach Betrachtung der verschiedenen Verschwendungsarten – ganz im Sinne der Lean Philosophie – sind die Studierenden sich einig: Insbesondere ein fehlendes Logistikkonzept inklusive den Gewerken zugewiesene Lagerflächen, kürzere Transportwege und Schablonen für Putz, Tapete sowie Rohleitungen sollen in der zweiten Runde die Projektabwicklung beschleunigen.
Spielrunde 2 – Henry Ford wäre stolz
Der Plan steht, los geht’s: Jedem Gewerk ist eine Lager- und Arbeitsfläche auf dem Tisch zugewiesen. Zudem stehen Schablonen bereit, sodass der Vorgang des Messens wegfällt. Die Studierenden in den Gewerken teilen sich auf. Einer bereitet vor, die anderen verbauen. Diese Simulationsrunde läuft nun deutlich organisierter, ohne hektische Zwischenrufe und mit signifikant weniger Behinderungsanzeigen. Dies liegt auch daran, dass die Studierenden mehr miteinander kommunizieren und das Folgegewerk sofort informieren, sobald sie selbst im jeweiligen Raum fertig sind. Nach 13 Minuten ist das Erdgeschoss fertig.Spielrunde 3 – Da geht noch was
Das Ziel der dritten Runde ist klar: die Zeit der Vorrunde unterbieten!Dafür wird im Rahmen einer Gesamtprozessanalyse (GPA) der Bauablauf mit allen Beteiligten Gewerken genauestens unter die Lupe genommen. Geplant wird rückwärts – also beginnend mit dem letzten Gewerk – um frühzeitig Probleme zu erkennen und ein gemeinsames Verständnis über das Projekt bzw. dessen Abwicklung zu entwickeln. Im Fokus steht die Kommunikation untereinander.
Das Ergebnis der letzten Spielrunde ist eindeutig: Schon fast harmonisch und ohne jegliche Hektik entsteht zum wiederholten Male das Erdgeschoss. Diesmal jedoch ohne Behinderungsanzeigen und "fließend" wie bei Lean Construction Management vermittelt, gehen die Gewerke wie ein Zug durch die einzelnen Räume. Ein weiterer Nebeneffekt ist ein deutlich geringerer Mitarbeitereinsatz. Die Zeit: 11 Minuten 44 Sekunden – ganz ohne Schwitzen.