Menschen
Studierende berichten
27.10.2014

Peer Fischer: Auch ohne Abi und mit nur mittelmäßigem Schulabschluss hat er es ins Studium geschafft. Foto: privat
Das kann ich auch – Ich will studieren!
Anm. d. Red.: In der Reihe „Studierende berichten“ haben Studierende die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zum Studium und zur Jade Hochschule frei und unzensiert zu äußern. Um die Authentizität der Beiträge zu erhalten, nimmt die Redaktion keinerlei Änderungen vor.Ein Studium habe ich als Erster aus meiner Familie begonnen... ... weil ich mich vor vielen Jahren mal mit dem großen Bruder eines Freundes unterhalten habe. Er hatte damals sein Studium abgeschlossen und erzählte mir ein paar Geschichten aus seiner Studienzeit. Wir hatten einen ähnlichen Notendurchschnitt in der 12. Klasse und ich überlegte die ganze Zeit, warum er diese Chance hatte und ich die nie bekommen habe. Aber ich habe mir einfach noch nie Gedanken über ein Studium gemacht. Nach einigen Stunden hatte ich den Entschluss getroffen: Das kannst du auch! Ich wusste zwar noch nicht genau, was ich studieren wollte, aber ich wollte (nach meiner Ausbildung) auf jeden Fall noch studieren gehen. Hab ich dann auch durchgezogen.
Familie und Arbeitskollegen kann man sich nicht aussuchen...
... Das habe ich dann auch im Studium gemerkt, ich hatte plötzlich Umgang mit ganz anderen Gesellschaftsschichten. Die sind in den Ferien segeln gefahren, haben mit ihren Eltern (die noch verheiratet waren) Urlaub auf tropischen Inseln gemacht oder sind mit Papas Mercedes zur Hochschule gefahren. Natürlich war nur ein Teil der Studenten so drauf, aber das hat mich damals schon leicht abgeschreckt. Ich kannte solchen Umgang einfach nicht aus meinem Freundeskreis. #Neuland. Viele meiner Freunde arbeiten, seit sie 15 oder 16 sind. Sie haben einen Migrationshintergrund oder sind mal von einer Schule geflogen. Sie sind einfach mit Problemen, Hindernissen und Sorgen aufgewachsen und haben sich dran gewöhnt. Diesen Eindruck machten nur wenige Studenten an meiner Hochschule. Das macht dann die Kommunikation etwas schwierig und so eckt man schon mal an.
Ein Studium lohnt sich...
... wenn man aus der Praxis kommt und schon in der Materie steckt. Beispielsweise hat ein Maurer oder Zimmermann schon wunderbare Voraussetzungen für ein Studium zum Bauingenieur. Sie haben die Praxis, das Know-how und kennen das Leben auf´m Bau. Das geht natürlich auch mit anderen Berufen oder Studiengängen. Ich habe damals meinen Realschulabschluss und meine Fachhochschulreife auf einer Berufsfachschule (Fachrichtung Wirtschaft) nachgemacht und dann eine kaufmännische Berufsausbildung bzw. ein kaufmännisches Studium gewählt. Mit der Wahl bin ich – nach wie vor – sehr zufrieden. Das alles öffnet mir die Tore zu mehr Gehalt und zu besseren Jobs.
Ich bin Jade Lotse geworden...
... weil vielen Jugendlichen, in deren Familie bisher noch keiner studiert hat, ein falsches Bild suggeriert wird. Man muss kein Abitur haben, um zu studieren. Man muss kein Supertalent sein. Auch Hauptschüler haben eine Chance (über Umwege) zu studieren. Das Leben muss nicht als Hilfskraft enden, ein Studium ist keine Hexerei. Aber das wissen die oben genannten Jugendlichen oftmals nicht. Niemand hat ihnen gesagt, dass sie ein Studium schaffen könnten. Im Gegenteil: Familienmitglieder erwähnen gerne mal mit Nachdruck, dass man sowas doch eh nicht schaffen würde - was natürlich Schwachsinn ist. Und so läuft man dann Gefahr so zu werden, wie „der Alte“ ist und macht dann möglicherweise den ganzen Tag nur Sachen, die man gar nicht machen will.
Als Jade Lotse rate ich Studierenden der ersten Generation Folgendes...
... Vergleicht Euch mit Studenten, informiert Euch über Weiterbildungsmöglichkeiten. Ihr müsst keine 45 Jahre den gleichen Job machen. Ihr habt die Möglichkeiten, nutzt sie! Viele Leute wollen nach der Schule erst mal Geld verdienen, ist ja auch verständlich. Aber nach einigen Jahren kommt dann die Routine. Der Beruf bringt zwar Spaß, aber fordert einen nicht mehr so sehr. Wenn das so ist, dann überleg dir, was man noch machen kann. Warum dann nicht studieren? Das bringt auch etwas Abwechslung ins Leben.In den Ferien bzw. nach der Schule kann man ja als studentische Hilfskraft arbeiten (übrigens in vielen Fällen fast Brutto=Netto). Drei bis vier Jahre gehen dann schnell vorbei und hinterher bereut man das Studium eigentlich nicht.Mal ehrlich – der Grund Nr. 1, warum man nicht studiert, ist: Man hat sich an das monatliche Einkommen gewöhnt und man möchte nicht wieder ohne Kohle dastehen. Aber hat man denn wirklich mehr Geld? Und möchte man dann auf 1000 bis 2000 Euro monatlich zusätzlich verzichten?
Mir hat keiner einen guten Rat gegeben...
... Aber mein Rat an Euch ist: Lasst euch Zeit. Es ist überhaupt kein Beinbruch, wenn man ein halbes oder ganzes Jahr länger studiert. Die Studienkolleginnen und Studienkollegen üben da schon mal Druck aus, weil sie am besten ein verkürztes Studium mit 1,0 abliefern wollen. Sie machen sich selber Stress und das färbt dann möglicher-weise auf euch ab. Daher mein Rat: Bleibt locker, lasst euch nicht stressen. Ich kenne wirklich bratzige Leute, die Abitur haben und dann das Studium mit einer guten Note abgeschlossen haben. Warum solltest Du das dann nicht auch schaffen?
Das Schönste am Studium ist...
... Wenn die "elitären" Abiturienten Probleme mit Themen haben, die man selbst schon vor fünf Jahren gelernt hat. Die müssen dann das ganze Wochenende lernen und Du musst nur einmal alles wiederholen und kannst dann die Freizeit genießen. Im Grunde ist es dann eine kleine Selbstbestätigung: Du kannst mindestens die gleiche Leistung bringen wie diese Leute.