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Studierende berichten
17.06.2016
Tim Brandt.

Tim Brandt.

Geodätische Deutschlandreise: auf den Spuren von Gauß, Helmert und Einstein

Anm. d. Red.: In der Kategorie „Studierende berichten“ haben Studierende die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zum Studium und zur Jade Hochschule frei und unzensiert zu äußern. Um die Authentizität der Beiträge zu erhalten, nimmt die Redaktion keinerlei Änderungen vor.

In der Lehrveranstaltung „System Erde“,...

... welche sich mit dem Aufbau, der Beobachtung  und dem Zusammenspiel der einzelnen Systeme der Erde beschäftigt, findet in jedem Jahr eine mehrtägige Exkursion durch das geodätische Deutschland statt. Anfahrtspunkte in diesem Jahr waren das Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam, das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland (KTB) in Windischeschenbach, das Geodätische Observatorium in Wettzell und das Deutsche Geodätische Forschungsinstitut (DGFI) in München. Insgesamt legten die Studenten eine Strecke von 1925 km zurück um sich an einigen der renommiertesten Forschungseinrichtungen über die neusten Entwicklungen der Geodäsie zu informieren.

Die Exkursion startete...

...
an einem Sonntagmittag um 12 Uhr. Das erste Ziel auf dem Reiseplan war Potsdam wo sich auf dem Telegrafenberg das Geoforschungszentrum befindet. Der Sonntagabend wurde intensiv für die Erkundung der freundlichen Innenstadt und studentischer Restaurants genutzt, um sich in fachlichen Gesprächen und im Austausch mit Studierenden vor Ort auf den folgenden Tag vorzubereiten.
Der Montag auf dem Telegrafenberg war mit einem reichhaltigen Programm aus Besichtigung der Einrichtung und fachlicher Vorträge gefüllt. Zu den Besichtigungen gehörten die alten Gebäude der Breiten- und Längenvermessung aus dem 19. Jhd. sowie der Helmertturm. Zudem wurde der alte, preußisch optische Telegrafenmast vorgeführt. Dieser konnte, nur durch das Aufzeigen von Zeichen, eine halbe DIN A4 Seite innerhalb einer Stunde von Berlin nach Koblenz übertragen. Darüber hinaus wurden die Einrichtungen von Michelson und Einstein besichtigt, in denen die Grundlagen der modernen Physik durch praktische Versuche bewiesen wurden.

Die erste Vortragsreihe...

...über „InSAR and its applications in geohazards‘“ und „Satellitengestützte Atmosphärenfernerkundung“ präsentierte die Forschungsbereiche der Beobachtungsmissionen durch Fernerkundungssatelliten am GFZ. Die zweite Vortragsreihe beschäftigte sich mit den „Meeresspiegelschwankung während des letzten glazialen Zyklusses“ und „Deformationen der Erdoberfläche durch atmosphärische und hydrologische Auflasten auf die Erdkruste“. Ziel dieser Untersuchungen ist es, über Modelle die unterschiedlichen Vorgänge und Einflüsse auf der Erde zu verstehen und in Auswertungen berücksichtigen zu können. Den Abschluss am GFZ bildete ein Vortrag über die „Höhere Geodäsie mit VLBI“ und eine Besichtigung der Lasermessstation für Satelliten. Um den schon sehr informationsreichen Tag weiter zu krönen, war am Tag noch die Abreise nach Windischeschenbach geplant. Um 18 Uhr erreichte die Reisegruppe die Tiefenbohrung. In einer dreistündigen Fachführung wurden den Studierenden die Geheimnisse der Geologie und Erkenntnisse aus 9101m Tiefe erläutert. Zudem wurde auf dem größten Bohrturm der Welt der wohl fleißigste Arbeiter einer solchen Einrichtung präsentiert: der Iron Roughneck. Der Ausklang des Tages erfolgte in einem örtlichen Landhotel mit der Verköstigung der lokalen Spezialität, dem Zoigl Bier.

Am folgenden Tag war das Ziel...

... das Geodätische Observatorium in Wettzell, einem kleinen Dorf in den Tiefen des Bayrischen Waldes. Auf dem Gelände befinden sich drei VLBI Radioteleskope mit Durchmessern von 15 bis 30 Metern. Darüber hinaus gibt es dort zwei Laser-Messstationen mit denen Entfernungsmessungen zu Satelliten und sogar bis zum Mond durchführen werden können. Mit mehreren Gravimetern wird die Schwerbeschleunigung der Erde gemessen. In einem eigens dafür gebauten, unterirdischen Labor befindet sich ein Großringlaser zur Bestimmung der Erdrotation. Eingeleitet wurde die Führung mit einem Vortrag über Forschungsprojekte und Ergebnisse. Danach wurden die Zentralen der VLBI-Messungen sowie der Laser-Stationen besichtigt. Als absoluter Höhepunkt und einmalig war ein Blick auf den Großringlaser, der normalerweise bei einer Messung nicht betreten werden darf. Zum Ausklang des Tages und mit weiteren, vielschichtigen Informationen gefüttert, wurde der abendliche Sonnenuntergang an einer nahegelegenen Talsperre genossen.

Als letztes Etappenziel...

...stand München auf dem Fahrplan. Nach wenigen Tagen in der Oberpfalz und Niederbayern war die Metropole des Südens ein absoluter Höhepunkt. Der nur durch den Besuch am DGFI übertroffen werden konnte. Am Odeonsplatz gelegen, in der Münchner Residenz, forschen täglich Geodäten an aktuellen Fragestellungen zu  Referenzsystemen und der Satellitenaltimetrie. Im ersten Vortrag wurden den Studierenden kurze Überblicke der verschiedenen Forschungsthemen verschafft. In den weiteren Vertiefungen wurde insbesondere das eigens berechnete ITRF (International Terrestrial Reference Frame) vorgestellt, welches nur an zwei weiteren Instituten auf der Welt berechnet wird. Es stellt das globale Referenzsystem dar, auf das sich alle weiteren Systeme beziehen. Es ist somit eines der wichtigsten Produkte der Geodäsie und nimmt täglich an Bedeutung in jeder Lebenssituation zu. Der dritte Vortrag vertiefte die aktuelle Forschung im Bereich der Satellitenaltimetrie, womit die Oberflächen von Wasser, Veränderungen der globalen Meeresspiegel überwacht und bestimmt werden können. Aktuelle Entwicklungen lassen dabei sogar schon die Überwachung von Flüssen und ihre Einflüsse auf die Umgebung zu. Den abendlichen Ausklang verbrachten die Studierenden im „Steinheil“, einem Geheimtipp für jeden München Reisenden, darum explizit an dieser Stelle erwähnt.

Nach diesen schönen Tagen im geodätischen Deutschland...

...mussten leider am letzten Tag der Exkursion die Koffer gepackt und die Heimreise in das beschauliche Oldenburg angetreten werden. Mit den Köpfen voller neuer fachlicher und interkultureller Gedanken, der Inspiration aus den einzelnen Forschungseinrichtungen war diese Exkursion einer der Höhepunkte im Studium aller Beteiligten. Wir möchten uns bei Ole Roggenbuck und Prof. Dr. Jörg Reinking bedanken, die diese wunderbaren Tage für uns organisierten.