Michael Wegener, Leiter des Content Center von ARD aktuell, referierte über die Kunst des Verifizierens von Bildmaterial. Foto: Jade HS
Wie Fake News entlarvt werden können
Immer mehr Redaktionen greifen für ihre Berichterstattung auf Inhalte aus sozialen Medien zurück. Doch kann man in Zeiten von Fake News diesen Meldungen immer trauen? Oder sind sie gezielt zur Irreführung der Bevölkerung gestreut worden? Im Rahmen der Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus referierte Michael Wegener gestern über die Kunst des Verifizierens und gewährte einen Blick hinter die Kulissen der Tagesschau. Er leitet seit 2005 das Content Center von ARD-aktuell ("Tagesschau", "Tagesthemen"), das für die Recherche von Bewegtbildern aus unterschiedlichen Quellen und deren Verifikation verantwortlich ist.
Neue unsichere Quellen aus dem Netz
Nutzer_innen von Medienprodukten wollen sich darauf verlassen, dass sie die richtigen Informationen erhalten. Trotzdem gibt es immer wieder Spekulationen zu der Qualität journalistischer Inhalte. „Wir haben mit der Tagesschau eine starke Marke, die mit Glaubwürdigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit gleichgesetzt wird“, erläutert Wegener. Die Ausstrahlung gefälschter Inhalte könne die Marke nachhaltig schädigen. „Wir müssen also immer entscheiden, ob es ein Aufmacher ist oder ob es sich um gefälschte Bilder handelt“, berichtet Wegener. Was tut das Content Center also um die Quelle von Bildern zu identifizieren? „Früher brauchten wir uns keine Sorgen machen. Da hatten wir Verträge mit verschiedenen Nachrichtenagenturen wie Reuters, die uns zuverlässiges Material geliefert haben. Durch neue und unsichere Quellen im Netz wissen wir heute oftmals gar nichts“, beschreibt der Referent die Entwicklungen. „Wir mussten also einen Prozess entwickeln um zu prüfen wie glaubwürdig und verlässlich die Bilder wirklich sind. Alles andere würde unserer Marke extrem schaden.“
Entwicklung eines Verifizierungsprozesses
„Wir haben einen Workflow entwickelt, mit dem wir Indizien für die Echtheit eines Bildes sammeln“, erläutert Wegener. Zu Beginn werde eine redaktionelle Verifikation vorgenommen. Dazu werden die fünf W-Fragen beantwortet: Wer oder was ist auf den Bildern zu sehen? Wo und wann sind die Aufnahmen entstanden? „Wir versuchen die Infos mit anderen Quellen zu vergleichen und nutzen spezielle Tools um die Fotos zu verifizieren.“ Dazu könnten beispielsweise Wetterdatenbanken, Fotodatenbanken oder virtuelle Straßenpläne herangezogen werden. Im zweiten Step wird die Quelle überprüft. Wie glaubhaft ist der Urheber_in? Haben wir schon mit ihm oder ihr zusammengearbeitet? Welche Inhalte wurden mit dem Profil noch veröffentlicht? „Wir versuchen auch häufig den Urheber_in direkt zu kontaktieren, um mehr Informationen zu bekommen“, ergänzt Wegener.
Netzwerke sind entscheidend
Bei der Betrachtung aller gesammelten Indizien erhalte man meist schon einen guten Eindruck von der Echtheit des Materials. „Der wichtigste Schritt ist für uns der Experten-Abgleich. Dabei geben wir alle gesammelten Infos an unsere Expert_innen vor Ort weiter. Das können zum Beispiel Kolleg_innen, vertrauenswürdige User_innen oder Mitarbeiter_innen von deutschen Institutionen sein.“ Um herauszufinden ob ein Bild nachträglich bearbeitet wurde, werde noch eine technische Überprüfung durchgeführt. „Unser Ziel ist es den jeweiligen Verifizierungstand auch an die Zuschauer_innen weiterzugeben. Stundenlange Recherchen im Hintergrund führen dann häufig dazu, dass wir ein Wort weglassen können. Es heißt dann nicht mehr: Diese Bilder
sollen aus Kramatorsk stammen, sondern diese Bilder stammen aus Kramatorsk. Durch dieses systematische Vorgehen wird unsere Marke nicht gefährdet“, fasst Wegener seine Ausführungen zusammen. Er nahm sich abschließend noch Zeit für Fragen und eine vertiefende Diskussion zu den Themen Fake-News und ethische Grenzen in der Berichterstattung.