
Alice Föllner (links) und Kerstin Bruns engagieren sich bei ArbeiterKind.de.
Durch eigene Erfahrung zur Plattform ArbeiterKind.de gelangt
Wilhelmshaven. Kerstin Bruns und Alice Föllners Eltern sind keine Akademiker. Sie sind Arbeiter bzw. Handwerker und ihre Töchter haben schon früh erlebt, dass es keine Chancengleichheit gibt. Ein Grund, weshalb sich die Wirtschaftsstudentinnen an der Jade Hochschule heute bei ArbeiterKind.de engagieren.
„Regale voller Bücher, regionale und überregionale Zeitungen, Gespräche über Politik, das entdeckte ich bei meinen Freundinnen aus Akademikerfamilien“, erinnert sich Alice Föllner aus Ostfriesland. „Das gab es bei uns zu Hause nicht“, erzählt die 21-Jährige weiter und Kersten Bruns bestätigt das. „Auch Einrichtung, Kunst und klassische Musik waren für mich eine andere Welt. Allerdings war der Umgangston unter den studierten Eltern eher steif“, erinnert sie sich.
Beide Frauen, die das vierte Semester gerade beenden, fielen schon in der Grundschule durch sehr gute Leistungen auf. Alice Föllner hatte das große Glück, von ihrer Lehrerin gefördert zu werden. „Ich wollte immer lesen, und sie hat mir Bücher mitgebracht, die ich verschlungen habe. Meine Eltern hätten das nicht gekonnt“, sagt sie. Kerstin Bruns hat das ähnlich erlebt. „Meine Eltern haben mich so wie es ihre Möglichkeiten zuließen, stets in meiner schulischen Entwicklung unterstützt, helfen konnten sie mir jedoch nicht lange. Ich musste das schon allein bewerkstelligen“, erzählt die 24-Jährige.
Alice Föllner nickt zustimmend und erinnert sich, dass Akademikerkinder in Krisensituationen sofort Nachhilfestunden bekamen. „Ich musste mich irgendwie durchbeißen, sonst wäre das Gymnasium für mich beendet gewesen.“ Beide Frauen schafften ihren Weg, und während Alice Föllner schon lange wusste, dass sie studieren wollte, war Kerstin Bruns unentschlossen. Sie absolvierte eine Lehre als Kauffrau und bald schon stand für sie fest, das war nicht alles. Also orientierte sie sich neu und begann nach der Ausbildung ein Wirtschaftsstudium.
An der Jade Hochschule begegneten sich die beiden Frauen, die inzwischen Freundinnen geworden sind und sich auf Initiative von Alice Föllner bei ArbeiterKind.de in Wilhelmshaven an der Jade Hochschule engagieren. „Ich musste mein Studium selbst finanzieren. Also informierte ich mich nach dem Abi über Finanzierungsmöglichkeiten und entdeckte die Plattform ArbeiterKind.de. Da werden junge Leute über Ausbildungsfinanzierungen informiert. Das hat mich beeindruckt und mir vor allem geholfen“, berichtet sie. Als sie in Oldenburg die Gruppe ArbeiterKind.de entdeckte, fragte sie Kerstin Bruns, ob sie sich dort nicht gemeinsam engagieren wollten. Gesagt, getan: Inzwischen gibt es eine eigene Gruppe am Studienort Wilhelmshaven der Jade Hochschule , wo die Frauen andere Studierende aus nicht akademischen Elternhäusern beraten. Denn sie alle sind auf finanzielle Hilfe von außen angewiesen, um das Studium bewerkstelligen zu können.
„Tatsächlich gibt es allerhand Fördertöpfe, die Studierende unter bestimmten Bedingungen anzapfen können“, erzählt Kerstin Bruns. „Wir wissen inzwischen sehr gut Bescheid, können von unseren eigenen Erfahrungen berichten und Kommilitonen helfen, die in der Regel die Möglichkeiten nicht kennen.“ Das ist aber nicht alles: Die beiden Frauen planen, demnächst in die Oberstufen der Schulen zu gehen, um die Abiturienten über ihre finanziellen Möglichkeiten im Falle eines Studiums aufzuklären.
Inzwischen spricht sich das Beratungsangebot an der Jade Hochschule herum. Die beiden Studentinnen haben mittlerweile häufiger Kundschaft, die über die Tipps und Hilfen froh sind. Denn Kerstin Bruns und Alice Föllner sind auch bei der Antragsstellung behilflich. Sie selbst finanzieren ihr Studium über Bafög. Weil sie sehr gute Studienleistungen erbringen, kommen sie zudem in den Genuss eines Deutschlandstipendiums. „Damit ist gewährleistet, dass wir unser Studium in der vorgegebenen Zeit schaffen und danach selbst Geld verdienen. Denn dann geht es für uns ans Abbezahlen“, sagt Alice Föllner. „Das stört uns aber nicht, denn wir haben unser Ziel, studieren zu können und einen Abschluss zu machen, erreicht. „Das empfinden wir als großes Glück“, sind sich die Frauen einig, die hoffen, dass möglichst viele Studierende aus nicht akademischen Elternhäusern es ihnen gleich tun.
Weitere Informationen über ArbeiterKind.de sind unter
www.arbeiterKind.de oder unter der Telefonnummer 04421/9852945 erhältlich. Die Sprechstunden in der Jade Hochschule finden während des Semesters montags von 11.45 bis 12.15 Uhr im Raum S124 statt.