Menschen

Architektur
01.03.2016
Eins von vielen Gefängnissen: Klaus Rademacher, Honorarprofessor am Fachbereich Bauwesen und Geoinformation, war unter anderem an der Planung der Justizvollzugsanstalt in Oldenburg beteiligt.<span>Foto: Piet Meyer/Jade HS</span>

Eins von vielen Gefängnissen: Klaus Rademacher, Honorarprofessor am Fachbereich Bauwesen und Geoinformation, war unter anderem an der Planung der Justizvollzugsanstalt in Oldenburg beteiligt.Foto: Piet Meyer/Jade HS

Sechs abgeschlossene Türen zwischen Zelle und Freiheit

Oldenburg. In Oldenburg, deutschlandweit und in Montenegro - 13 Gefängnisse hat Klaus Rademacher, Honorarprofessor am Fachbereich Bauwesen und Geoinformation der Jade Hochschule, bereits gebaut. Die Wirkung der Architektur im Resozialisationsprozess hat den Architekten dabei besonders fasziniert.

„In der Gefängnisarchitektur zeigt sich, welche Form des Strafvollzugs zur Zeit der Gebäudeplanung herrscht“, erklärt der Architekt. „Ob die Zeichen mehr auf Repression oder Resozialisierung stehen, lässt sich an der Bauweise von Gefängnissen ablesen.“ Da Gefangene in Europa nicht mit der Todesstrafe, sondern mit Freiheitsentzug auf Zeit bestraft und anschließend wieder ins soziale Leben integriert werden, sei es besonders wichtig, Bedingungen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung zu schaffen. „Die Architektur wirkt sich unmittelbar auf die Psyche aus und kann den Resozialisationsprozess maßgeblich beeinflussen“, weiß Rademacher.

Laut Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen muss die Unterbringung von Gefangenen den Grundsätzen der Menschenwürde entsprechen, der Gesundheit und Hygiene und sollte die Privatsphäre so weit es geht schützen. Rechtskräftig Verurteilten steht in Deutschland eine zehn  Quadratmeter große Einzelzelle inklusive Nasszelle zu. Doch auch „weiche“ Faktoren - wie die Luft, Wärme, Beleuchtung, Akustik, Materialität, Farbe und Ästhetik einer Zelle -  wirken auf die physiologischen Grundbedürfnisse der Gefangenen. „Behaglich ist eine Raum bei einer Temperatur von 21 Grad, eine ausreichende Be- und Entlüftung durch Lüftungsanlage sollte gewährleistet sein und aus psychologischer Sicht sollte ein kleiner Teil der Fenster geöffnet werden können, um die Luft zu spüren“, sagt der Experte. „Während die Fenster früher klein und möglichst hoch gelegen waren, um die Gefangenen dazu anzuregen Buße zu tun und Zwiesprache mit Gott zu halten, achten wir heute auch auf große Fenster auf Augenhöhe, die genug Tageslicht hereinlassen.“
Die Befriedigung dieser Bedürfnisse wirke präventiv, erklärt Klaus Rademacher. „Sie ist die Grundvoraussetzung für die physische und psychische Gesundheit und für die Suizidprävention.“ Bauliche Maßnahmen, die darüber hinaus zur Suizidprävention ergriffen werden, könnten sein: Lüftungen anstelle von Heizungen, festverglaste Fenster anstelle von Gittern vor den Fenstern, Türdrücker anstelle von Türklinken – sodass keine Befestigungsmöglichkeit zum Strangulieren besteht – oder auch Geländer mit Absturzsicherung.  

Großen Wert legt Rademacher auch darauf, dass sich die Bediensteten wohlfühlen. „Menschlicher Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Durch die Architektur können wir zu optimalen Arbeitsbedingungen beitragen, sodass für die Bediensteten mehr Raum für direkten Kontakt bleibt.“ Sorgfältig gestaltete Büros, Aufenthaltsräume oder auch Überwachungsbalkons, auf denen auch geraucht werden darf, können die Zufriedenheit der Bediensteten erhöhen.

Ein besonderes Projekt hat Klaus Rademacher vor drei Jahren durchgeführt: Für die Europäische Union reiste er nach Montenegro. „Montenegro muss als EU-Beitragskandidat nachweisen, dass die Polizei, Justiz und die Gefängnisse den EU-Standards entsprechen. Meine Aufgabe war es, das zu überprüfen und unter anderem entsprechende Konzepte, Raumprogramme und Sicherheitskonzepte als Finanzierungs- und Ausschreibungsgrundlage zu erstellen. “ Dort traf er auch auf Häftlinge, die schon einmal in Deutschland inhaftiert waren. „Nie wieder deutsche Gefängnisse,“ hätten sie gesagt, trotz Sauberkeit, Einzelzelle, usw. „Lieber in Montenegro mit vielen Gefangenen in einer großen Zelle inhaftiert, es ist laut und dreckig - aber das Telefonieren ist einfach.“

„Ein Gefängnis ist wie eine kleine Stadt: Es gibt eine Mauer, ein Tor und Versorgungsleitungen rein und raus. Innerhalb der Mauern gibt es Wohneinheiten, Werkstätten, eine Schule, eine Bibliothek – und auch alle Probleme des Gemeinwesens. Das macht es besonders komplex und spannend und nicht immer einfach.“

Honorarprofessor Klaus Rademacher lehrt und forscht seit 35 Jahren am Fachbereich Bauwesen und Geoinformation der Jade Hochschule auf den Gebieten Facility Management, Gebäudekunde und Baukonstruktion.