Normalerweise beobachtet Google die Menschen weltweit. Jetzt haben Studierende der Jade Hochschule die Rollen getauscht und Google nicht nur beobachtet, sondern wissenschaftlich unter die Lupe genommen.
„Media Brother“ nimmt Google wissenschaftlich unter die Lupe
Wilhelmshaven. Wer bestimmt eigentlich, welche Suchergebnisse in welcher Reihenfolge angezeigt werden? Diese Frage stellten sich Studierende des Studiengangs „Medienwirtschaft und Journalismus“ der Jade Hochschule im Rahmen des Studienprojekts „Media Brother“ und nahmen unter anderem die Suchmaschine Google unter die Lupe. Normalerweise beobachtet Google die Menschen weltweit. Die Studierenden haben die Rollen getauscht und Google ins wissenschaftliche Visier genommen.
Wer heute Begriffe im Internet sucht, greift vor allem auf die weltweit größte Suchmaschine Google zurück. „Mittels einer qualitativ-quantitativen Inhaltsanalyse haben die Studierenden zwei Semester lang untersucht, wie sich Googles Ergebnisseiten zu ausgewählten Suchbegriffen über jeweils 30 Tage hinweg verändern“, berichtet Projektleiter Prof. Dr. Andreas Schelske.
Sie untersuchten, welche Akteure auf welchen Positionen in Googles Ergebnissen gelistet waren und in welchem wertenden Kontext sie genannt wurden. Anschließend wurden die codierten Daten statistisch ausgewertet und auch in Hinblick auf Googles Vormachtstellung als Suchmaschine interpretiert“, erklärt er die Vorgehensweise. Untersucht wurden u.a. die Begriffe „Atomkraft“, „Hartz IV“, „Guido Westerwelle“ und „Krankenkasse“.
Einige Ergebnisse überraschten die Studierenden. So stellten sie zum Beispiel fest, dass Parteien und staatliche Institutionen eine vergleichsweise geringe Präsenz hatten bezüglich des Suchbegriffs „Atomkraft“. Vielmehr war hier die politische Opposition vertreten. Unternehmen der Atomindustrie suchten die Studierenden unter diesem Begriff vergeblich. Anders verhielt sich das bei der Eingabe von Kernenergie. Dort waren die maßgeblichen Produzenten von Atomstrom vertreten. Ganz offensichtlich wollen sie mit dem Begriff Atomkraft nicht in Verbindung gebracht werden, so die Erklärung der Studierenden.
Bei dem Begriff „Hartz IV“ dominierten Anwälte die besten Plätze. Sie spekulieren offenbar darauf, auf diesem Weg Kunden zu akquirieren, erklären die Studierenden das Phänomen. Wer dort gesetzliche Grundlagen sucht oder etwas über den politischen Charakter von Hartz IV erwartet, der wurde eher enttäuscht. Ähnlich verhielt es sich bei dem Begriff „Krankenkasse“. Nicht etwa die großen gesetzlichen Kassen belegten die vorderen Ränge bei Google, sondern die privaten Krankenkassen, die derzeit um jeden Kunden werben.
Ist das Agenda-Setting also Zufall oder eher nicht? Eine schwere Frage, weshalb die Studierenden sich auf den Weg nach Hamburg zu Google Deutschland aufgemacht haben. Dort trafen sie den Pressesprecher Stefan Keuchel, der sich für die Studierenden viel Zeit nahm und keine Probleme damit hatte, dass das Interview aufgezeichnet und ins Internet gestellt wurde.
Von einer Wertung oder gar Zensur wollte der nichts wissen. Vielmehr bezeichnet er Google als transparent und frei von Wertung was das Agenda-Setting betrifft. Doch die Thematisierungsfunktion von Massenmedien ist für die Studierenden unbestritten. „Sie beeinflussen nicht so sehr was
wir denken, sondern bestimmen vielmehr worüber wir nachdenken sollen“, sagen sie. Die Medien würden festlegen, welche Themen auf der Tagesordnung stehen. Wer da nicht bedingungslos mitmachen will, muss sehr gut informiert sein, um auch andere wichtige Themen zu kennen und entsprechende Informationen darüber zu finden.
Interessierte finden auf
www.mediabrother.de neben den Studienergebnissen auch eine ausführliche Dokumentation der angewendeten Methoden. Alle Studien können zudem kostenlos als PDF-Dokument heruntergeladen werden. Ergänzt wird das Angebot durch Videointerviews mit Stefan Keuchel, dem Pressesprecher von Google Deutschland und mit Initiator Prof. Dr. Andreas Schelske.