Studium

Assistive Technologien
18.05.2017
Marilena Sydow ist Absolventin des Studiengangs Assistive Technologien. In ihrer Bachelorarbeit entwickelte sie einen mobilen Therapiesitz, der die Bewegungen eines Pferdes simuliert.

Marilena Sydow ist Absolventin des Studiengangs Assistive Technologien. In ihrer Bachelorarbeit entwickelte sie einen mobilen Therapiesitz, der die Bewegungen eines Pferdes simuliert. Foto: Jade HS/Piet Meyer

Neu entwickelter Therapiesitz hilft beeinträchtigten Menschen

„Jetzt bin ich Ingenieurin“, freut sich Marilena Sydow. Die Bachelor-Thesis der 26-jährigen Absolventin des Studiengangs Assistive Technologien an der Jade Hochschule wurde im März vom Verein der Freunde und Ehemaligen des Instituts für Hörtechnik und Audiologie als Beste ihres Jahrgangs ausgezeichnet.

Dass sie studieren würde, stand aber nicht von Anfang an fest. „Nach meinem Realschulabschluss folgte das Abitur. Dann machte ich eine Ausbildung zur Augenoptikerin. Und während dieser Zeit wuchs in mir der Wunsch zu studieren. Mein Berufsschullehrer und die Berufsberatung des Arbeitsamtes rieten mir unabhängig von einander, mich für den Studiengang Assistive Technologien zu entscheiden – rückwirkend betrachtet was das genau die richtige Entscheidung“ erzählt Sydow.

Wie das Studium lief

Und obwohl sie sich zu Beginn ihres Studiums durchkämpfen musste, hat Sydow nichts bereut. „Ich hatte keine Programmierkenntnisse und auch Mathe war sehr anspruchsvoll. Aber aus meinen Kommilitonen und mir ist eine eingeschworene Gemeinschaft geworden – es haben sich tiefe Freundschaften entwickelt. Auch der Umgang mit den Professoren war sehr familär. Das alles hat mich motiviert, durchzuhalten“, führt sie weiter aus.

Praxisbezug in der Bachelorarbeit

Für Sydow stand schon früh fest, dass sie für ihre Bachelorarbeit ein praxisbezogenes Thema wählen wollte. Da kam die Ausschreibung von Strehl Kinderreha- und Orthopädietechnik gerade recht. „HippoSeat – Entwicklung eines mobilen Therapiesitzes basierend auf den Funktionsprinzipien der Hippotherapie“ – so lautete das Thema ihrer Abschlussarbeit. „Gerade Kindern mit neurologischen Bewegungsstörungen hilft die Hippotherapie sehr, bei der es sich um eine physiotherapeutische Behandlungsform handelt, welche auf einem Pferd durchgeführt wird. Aber der Aufwand, den die Betreuungspersonen leisten müssen, ist nicht zu unterschätzen. So müssen beispielsweise lange Wegstrecken zwischen den therapeutischen Maßnahmen zurückgelegt werden oder die betroffenen Personen haben mehrere Kinder. Das alles zu koordinieren ist nicht ganz leicht. In meiner Bachelorarbeit habe ich deshalb einen Therapiesitz entwickelt, der die Bewegungen der Pferde simuliert. Dieser Sitz kann beispielsweise in einer Praxis für Physiotherapie eingesetzt werden und somit das Leben der Betroffenen etwas erleichtern“, erklärt die gelernte Augenoptikerin.

Der Therapiesitz

Sydow entwickelte eine Sitzfläche, die auf einen handelsüblichen Therapiestuhl gesetzt werden kann. Eine innenliegende Motorsteuerung simuliert die Bewegungen, welche auf einem Pferdrücken in der Gangart Schritt stattfindet. Durch die klassische Sitzposition ist dieser Therapiesitz auch für Menschen mit unlösbaren Spastiken in den unteren Extremitäten geeignet, welche sich gar nicht auf ein Therapiepferd setzen könnten. Reitet man ein Pferd in der Gangart Schritt wird das menschliche Becken genau wie beim Gehen bewegt. Das bringt den Organismus in Schwung, löst Spastiken und die Rumpfbalance wird gesteigert. Dies alles in der Kombination hat eine Steigerung der Lebensqualität von beeinträchtigten Menschen zur Folge.

„Für meine Bachelorarbeit habe ich zunächst die Bewegungen eines Pferdes mit einem optischen, infrarotbasierten Bewegungserfassungssystem ermittelt. Diese Daten habe ich dann ausgewertet und auf einen selbstgebauten Prototypen und dessen Motorsteuerung übertragen“, berichtet die Absolventin der Jade Hochschule. Nach dem Einbau des Motors in den Prototypen konnte Sydow Vergleichsmessungen durchführen.

Ein ganzer Erfolg

„Erfreulicherweise sind die Ergebnisse für einen ersten Prototypen erstaunlich gut. Wir müssen zwar noch kleinere Korrekturen vornehmen, aber wir wissen schon jetzt, dass der Therapiesitz eine Zukunft hat“, erläutert die Ingenieurin. Sydow ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass das Reiten auf Pferden ebenfalls Auswirkungen auf den Therapierfolg hat – schließlich handelt es sich dabei um eine Form sozialer Interaktion. „Mein Ziel ist es nicht, die Therapiepferde zu ersetzen. Vielmehr möchte ich Menschen mit starken Behinderungen helfen – der Therapiesitz macht dies möglich.“

Bewerbungen für den Studiengang Assistive Technologien sind ab dem 1. Juni bis zum 15. September möglich.



Bilder unten (v.l.)
Auf dem Körper des Pferdes platziert Marilena Sydow die Marker für das optische, infra-rotbasierte Bewegungserfassungssystem (Foto: Frank Wallhoff)
Blick von oben: So wurden die Marker auf dem Pferd platziert. (Foto: Frank Wallhoff)
Zehn Kameras nahmen die Bewegungen des Pferdes auf. (Foto: Frank Wallhoff)