Die 18 Masterstudierenden mit Hon. Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns (re) und Jelde Borgmann, M.Sc. (li). (Foto: Patrick Klapetz, honorarfrei)
Pilotprojekt mit Volldampf
Hannover.Oldenburg. Hannovers 14-gleisiger Einkaufsbahnhof lädt mit seinen Geschäften zum Flanieren förmlich ein. Das Reisen mit der Deutschen Bahn kann dabei zur Nebensache werden. Doch ohne eine ausgeklügelte Konstruktion aus Stahl und Beton kann ein solches Gebilde die enormen Lasten von den einfahrenden Zügen kaum tragen. Damit der 1845 errichtete hannoverische Bahnhof weiterhin seine Kunden befördern kann, sind teure Sanierungen unabdinglich. Der Schienenverkehr kann jedoch nicht einfach still gelegt werden.
Um heraus zu finden, ob die Tragwerke saniert werden müssen, müssen statische Berechnungen her. Masterstudierende des Studiengangs „
Management und Engineering im Bauwesen“ der Jade Hochschule in Oldenburg greifen der Deutschen Bahn dabei unter die Arme. Unter der Obhut von
Hon. Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns und Jelde Borgmann (M.Sc.) entstand ein visionäres Pilotprojekt: Die virtuelle Modellierung der Brückenbauwerke am Hauptbahnhof Hannover.
Nachdem das Reißbrett ausgedient hat, steht die rechnergestützte Konstruktion (CAD) jetzt vor einem Wendepunkt. Die akribische Erstellung von Bauzeichnungen soll durch die Methode der Gebäudedatenmodellierung abgelöst werden, zu Englisch: BIM (Building Information Modeling). Mit dieser Methode werden ganze Gebäude vom Fundament bis zum Dachgiebel modelliert und als 3D-Objekte dargestellt (
die Jade Welt berichtete). Per Knopfdruck erstellen sich 2D-Ansichten wie von selbst. Die Student_innen sollen nicht mehr stur in Grundrissen und Schnitten denken, sondern das Projekt als tatsächliches Bauwerk sehen, äußerte sich Oltmanns. Borgmann fügte hinzu, dass die einzelnen Objekte „Informationen zum Material oder wann etwas gebaut werde soll enthalten.“
Masterprojekt wird zum Pilotprojekt
Inhalt des Studiengangs ist auch ein Masterprojekt. Für den konstruktiven Ingenieurbau haben sich 18 Student_inn bereit erklärt. Wie sie jedoch an ein realitätsnahes Projekt mit der Deutschen Bahn gekommen sind, war eher Zufall. Oltmanns und Dr. Katja Maaser, Senior Controls Manager bei der DB, kennen sich vom Berliner „Arbeitskreis BIM“. Auf dem BIM-Tag (
die Jade Welt berichtete) der Jade Hochschule kam von ihr dann das Angebot für ein Pilotprojekt mit der Hochschule – unter anderem zur „Netzwerkförderung“, wie Maaser betonte und den BIM-Tag belobigte.
Vergangenen Mittwoch fand im Dachstuhl des 3D-Labors der oldenburgischen Hochschule die Generalprobe statt: Ohne große BIM-Vorkenntnisse wurden etliche Daten erhoben, fünf Brücken modelliert, drei davon statisch beurteilt und das alles an einem Tag in der Woche. „Blockunterricht wäre besser gewesen“ – darin waren sich Student_innen und Oltmanns einig. Vor dem praxisbezogenen „Behördenwahnsinn“ war jedoch keiner sicher. Teamwork, Spaß und Engagement sind dabei keineswegs in Mitleidenschaft geraten.“
Volldampf voraus für BIM
Auf einer Pressekonferenz vom 15. Dezember vergangenen Jahres stellte Bundesminister Alexander Dobrindt den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ vor. Bis 2020 soll BIM als Standard gälten. Ausschreibungen vom Bundesverkehrsministerium werden „nur noch in der Vergabesituation eines digitalen Bauens etabliert“, so dass sich Unternehmen mit der BIM-Methodik daran beteiligen können, verkündete Dobrindt. Die Deutsche Bahn möchte einen Schritt schneller sein und 2017 bereits 70-80 Prozent ihrer Aufträge nach der BIM-Methodik vergeben, so Maaser.“
Lorbeeren des rollenden Stahls
Am 19. Juli war es dann so weit. Die Masterstudierenden wurden von der DB nach Hamburg eingeladen, um ihre Ergebnisse zu präsentieren. Dabei ließ es sich der Güterverkehrsriese nicht nehmen, Urkunden mit Zertifikate auszustellen. Neben den noch nicht feststehenden Noten, die jedoch keinesfalls schlechter als „gut“ ausfallen werden, wie Oltmanns seinen Studierenden bei der Generalprobe wissen ließ, ist die Belobigung durch die Bahn ein würdiger Projektabschluss. „Was wir hier liefern, ist keinesfalls schlechter als das, was die Bahn macht“, betonte Oltmanns letzte Woche.
Patrick Klapetz