Alles auf Anfang: die Auftaktveranstaltung bei Continental Reifen Deutschland in Hannover Foto: Thomas Damm
Probieren – dann studieren
Oldenburg. Der Weltraum faszinierte Kira Vosgerau schon im Grundschulalter. Nicht nur die unendliche Weite, sondern auch das technische Drumherum. Dass die 19-Jährige heute in Bremen bei Airbus Defence and Space, einem der weltweit führenden Unternehmen der Raumfahrtbranche, ein sechsmonatiges Praktikum macht, ist da nur die logische Konsequenz. Technik und Logik, damit kann die junge Frau prima umgehen: Sie wechselt die Reifen bei ihrem Auto und programmiert Webseiten. Wörter wie „Quellcode“ oder „embedded systems“ machen ihr keine Angst. Und Mathematik, Physik und Informatik findet sie spannender als Geschichte, Deutsch und Kunst.
Die Oldenburgerin hat sich ganz bewusst für das Niedersachsen-Technikum entschieden. Das Praktikum soll nicht nur junge Frauen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern, sondern eine Orientierung im Berufsdschungel bieten. Die Teilnehmerinnen lernen den Alltag von Ingenieurinnen und Informatikerinnen kennen. Ein Tag der Woche ist für den Besuch in der Hochschule reserviert: Kira Vosgerau fährt also nicht nur viermal die Woche nach Bremen zum Airbus-Tochterunternehmen, sondern auch jeden Montag nach Wilhelmshaven und besucht dort einen Informatikgrundkurs, der mit einem Test endet. Besteht sie den, hat sie schon die ersten Leistungspunkte fürs Studium zusammen.
„Das Technikum geht bereits in die vierte Runde“, erklärt
Anja Wiehl, die das
Programm für die Jade Hochschule koordiniert und Kira Vosgerau betreut. Mehr als 250 (Fach-)Abiturientinnen sind bereits in den Berufsalltag von rund 80 Kooperationsunternehmen eingetaucht und haben parallel dazu an einer der zwölf beteiligten Hochschulen Erstsemesterluft geschnuppert. „Die Teilnehmerinnen knüpfen erste Kontakte mit zukünftigen Arbeitgebern“, sagt Anja Wiehl. Auch Kira Vosgerau kann sich vorstellen, eines Tages zu Airbus Defence and Space zurückzukehren. Im Sommersemester startet sie ihr Maschinenbaustudium, das verlangte Vorpraktikum hat sie mit der Technikum-Teilnahme in der Tasche.
Aus eigener Erfahrung weiß die Abiturientin, dass Praktika nicht immer so anspruchsvoll und gut betreut sind wie das Technikum: „Ich verantworte sogar ein eigenes kleines Projekt.“ Und dafür durfte sie an jenen Ort, an dem die Oberstufe der Trägerrakete Ariane zusammengebaut wird: In der Integrationshalle hat die 19-Jährige die Werkzeuge der Monteure zunächst vermessen und später digitalisiert:
Ob Maulschlüssel, Schraubenzieher oder Drehmomentschlüssel – rund 120 Werkzeuge lassen sich nun per Mausklick dreidimensional auf den Bildschirm zaubern und erleichtern den Produktdesignern im Haus die Arbeit. Was vorher auf Erfahrung und Telefonate mit den Monteuren beruhte, erledigt nun die neue Datenbank. Auch Airbus Defence and Space-Ausbildungsleiterin Gabi Umlandt ist von den Ergebnissen begeistert: „Kira Vosgerau ist unsere erste ,Technikantin‘, und die Erfahrungen sind für beide Seiten so positiv, dass unser Unternehmen auch künftig Technikum-Kooperationspartner bleibt.“
Ähnlich zufrieden ist Hannah Ditzler mit ihrem Arbeitgeber. Die 18-Jährige arbeitet in Oldenburg bei ISE, einem Unternehmen, das europaweit individualisierte Softwarelösungen im Bereich der Gebäudeautomatisierung anbietet. „Ich interessiere mich für Elektrotechnik, Infor-matik und Informationstechnik, wusste aber nicht so recht, was mir am meisten liegt“, erklärt die junge Frau. Das Technikum habe ihr bei der „Qual der Wahl“ geholfen: „Ich hätte nie gedacht, dass mir Informatik, also das reine Programmieren, so viel Spaß machen würde“, sagt sie.
Orientierungshilfe
Sie arbeitet zurzeit in den verschiedenen Entwicklungsteams des Unternehmens mit und lernt neue Arbeitsmethoden kennen. Ganz nach dem Motto des Technikums „Erst probieren, dann studieren“ steht für Hannah Ditzler außer Frage, wie es weitergeht: Im Sommer beginnt sie in Braunschweig mit dem Informatikstudium.
Katja Lüers