MWJ Vortragsreihe
22.11.2013
Referentin Indra Kupferschmid.Foto: Geert Oeser
Schon lange mit dem "Schriften-Virus" infiziert
Wilhelmshaven. Dass „Schriften aussuchen“ für sie die beste Sache der Welt ist, konnte man Indra Kupferschmid bei ihrem Vortrag „Nein, es gibt noch nicht genügend Schriften“ am Donnerstagnachmittag an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven deutlich anmerken. Damit setzte die Professorin für Typografie von der Hochschule der Bildenden Künste Saar die Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus fort, die in diesem Wintersemester den Titel „Hintergrundberichte zur Kommunikation“ trägt.
Detailreich und anschaulich bebildert erklärte Kupferschmid, wie Schriften früher klassifiziert wurden und warum sie sich heute an einer eigenen Einteilung orientiert, um die richtige Schrift für eine bestimmte Anwendung zu finden. Grundsätzlich lassen sich Schriften in Serifen-Schriften, zum Beispiel „Times“, und serifenlose Schriften, zum Beispiel „Helvetica“ einteilen. Zudem gibt es Schriften, bei denen alle Striche gleich dick sind, und solche mit einem sogenannten „Strichkontrast“. Weitere Unterteilungen lassen sich an Merkmalen wie Strichenden, Proportionen, Kontrast-Achse, Formen, Öffnungen und Innenräumen festmachen.
Indra Kupferschmid unterscheidet Schriften nach dynamischem (offenem), rationalem (geschlossenem) und geometrischem (rundem) Formprinzip. „Im Moment wollen allerdings alle dynamische Schriften, die freundlich und warm wirken – selbst Banken“, erklärte die Referentin. Bei der Auswahl der richtigen Schrift oder Schriftenkombination rät sie dazu, mutig zu sein: „Trauen Sie sich ruhig, quer durch den Gemüsegarten zu kombinieren! Das kann spannend und originell sein.“ So könnte zum Beispiel eine Serifenschrift für Überschriften zusammen mit einer serifenlosen für den Fließtext gut funktionieren.
Zu beachten seien außerdem die Aufgabe, die die Schrift zu erfüllen habe – „Geschäftspapiere für eine Bank sind etwas anderes als Einladungskarten für eine Hochzeit“ –, das Zielpublikum, die zu erzeugende Stimmung und Wirkung, die Text- und Leseart sowie das Medium (Papier oder Bildschirm und deren Qualität), die Produktionsart (zum Beispiel das Druckverfahren) und schließlich die Schriftqualität und Verfügbarkeit.
Und warum genau gibt es noch nicht genügend Schriften? „Weil sich die Technik im Laufe der Zeit ändert und Schriften entsprechend angepasst werden“, erklärte Kupferschmid und nannte als Beispiel die Entwicklung der digitalen Schriften. „Und mir persönlich macht es einfach so viel Spaß, Schriften neu zu entwickeln oder anzupassen“, so Kupferschmid weiter. „So wie andere Menschen sich immer wieder neue Hemden kaufen, obwohl sie eigentlich genug davon haben.“
Die Vortragsreihe des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus endet in diesem Semester am 5. Dezember. Dann referiert Pia Schreiber, Diplom-Journalistin und Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Jade Hochschule, zum Thema Kinderuniversitäten: Viel „Knall, Bumm, Peng!“ und wenig „Ah!“?
Katrin Busch