Studium

TGM
19.06.2013

Die Studierenden waren überrascht, wie selbstverständlich und natürlich die Patienten waren und die Patienten waren neugierig auf die Aufgaben, die die Studierenden ausgesucht hatten. Bild: Heindorf

Therapieaufgaben im Praxistest

Oldenburg/Bremen. Hilfen für Menschen mit Handicaps zu entwickeln, ist eine Sache. Wie sie von den Betroffenen angenommen werden, eine andere. Die Chancen, die sich mit dem technischen Fortschritt der letzten Jahre eröffnet haben, sind beeindruckend. Doch wer Assistenzprodukte entwickeln oder in diesem Bereich beratend tätig sein möchte, braucht nicht nur technisches Know-how, sondern sollte auch die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Anwender genau kennen.

Ralf Heindorf, Psychologiedozent an der Jade Hochschule, kennt das Problem aus seiner täglichen Arbeit als Neuropsychologe und Psychotherapeut mit Menschen im Neurologischen Reha-Zentrum Friedehorst in Bremen. Die Patienten dort leiden unter verschiedenen Hirnschädigungen, die sie durch Unfälle z.B. bei der Arbeit, im Straßenverkehr oder in der Freizeit erlitten haben mit oft schweren Folgeerscheinungen. Um sie zu behandeln, werden sehr unterschiedliche Therapieaufgaben eingesetzt.

Im Wahlpflichtfach Neuropsychologie an der Jade Hochschule wurden diese Therapieaufgaben von Studierenden erarbeitet oder ausgewählt und mit Patienten des Neurologischen Rehabilitationszentrum Friedehorst erprobt.

Die Studierenden im 6. Semester der Studiengänge Hörtechnik und Audiologie sowie Assistive Technologie der Jade Hochschule beschäftigten sich im letzten Semester intensiv mit vorhandenen Therapieaufgaben oder entwickelten eigene Varianten und Aufgabentypen. Die Aufgaben dienten der Verbesserung von Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Sprachfunktionen. Dazu sollten Zahlenreihen in einem Buchstaben-Zahlensalat gefunden werden, Emotionen klassifiziert werden, Wörter Bildern zugeordnet werden oder auch die Route einer Ferienreise gelernt und erinnert werden.

Elf Studenten konnten diese Therapieaufgaben nun mit hirngeschädigten Patienten des Neurologischen Rehabilitationszentrum Friedehorst erproben „Berührungsängste hatte niemand“, berichtet Ralf Heindorf. Die Studierenden wurden intensiv auf ihren Besuch im Reha-Zentrum vorbereitet, so dass ihnen der Umgang mit den teilweise erheblich geschädigten Patienten keine Schwierigkeiten bereitete. Nach vier Stunden stand fest: Die Therapieaufgaben sind nach dem Urteil der Patienten durchweg geeignet!

Für die Studierenden stand der Praxisbezug im Mittelpunkt. Eine Fragestellung eigenständig erarbeiten, Problemlösungen zu entwerfen und dann im klinischen Umfeld mit Betroffenen erproben war ein einmalige Erfahrung. Die Verbindung zwischen Technik und Therapie zu erleben, führte zu neuen Fragen und Ideen, die im Seminar weiter vertieft wurden.

„Neben den Grundlagen in der Vorlesung musste man sich genau mit der Aufgabe und den damit möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten vertraut machen. Was wird funktionieren, wo ist die Schrift zu klein bzw. undeutlich oder die Aufgabe zu schwer? Viele Aspekte, die man während der Vorlesung für gut befunden und dann nicht mehr beachtet hätte“, sagt die Studentin Miriam Kropp. Ihr habe vor allem die Praxisbezogenheit gefallen. „Sonst hätte man wohl selten die Chance, eine selbst entwickelte Aufgabe direkt vor Ort an Patienten auszuprobieren und dabei mit den entsprechenden Krankheitsbildern konfrontiert zu werden.“ Die Ergebnisse der Praxiserprobung wurden von den Studierenden systematisch erfasst und werden jetzt in Hausarbeiten ausgewertet. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sich die Therapieaufgaben optimieren lassen und für welches Störungsbild welche Aufgabe geeignet ist und für welche nicht. (Text: red)