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21.05.2013
General-Atomdebatte bestimmt Berichterstattung zu Fukushima
Wilhelmshaven. Mit einem Vortrag von Dr. Beatrice Dernbach, Professorin für Journalismus in Theorie und Praxis an der Hochschule Bremen, hat am Donnerstagnachmittag die Vortragsreihe „Gegenwart und Zukunft der Kommunikation“ des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus (InMWJ) an der Jade Hochschule am Studienort Wilhelmshaven einen spannenden Abschluss gefunden. Die Professorin und ausgebildete Redakteurin referierte zum Thema „Der Super-GAU – Das Fukushima-Unglück und die deutschen Medien“. Die erschütternden Bilder von der Katastrophe in Japan am 11. März 2011 sind mehr als zwei Jahre später noch bei vielen Menschen präsent. Sie begann mit dem schwersten Erdbeben in der Geschichte des Landes. Ein gewaltiger Tsunami überflutete einen großen Teil der Nordostküste – fast 16.000 Menschen starben. Im Kernkraftwerk Fukushima kam es zum Super-GAU: Kernschmelze, freigesetzte radioaktive Stoffe, Evakuierungen im großen Stil. Das Land wird mit den Folgen noch Jahrzehnte lang zu kämpfen haben. Beatrice Dernbach gab in ihrem Vortrag zunächst einen kurzen Überblick über den politischen Hintergrund der Atomenergie-Nutzung in Deutschland und über die Entwicklung der Anti-Atomkraft-Bewegung. Anschließend ging sie auf wichtige politische Entscheidungen in den vergangenen Jahren ein – bis hin zum Moratorium vom 14. März 2011 – drei Tage nach dem Unglück – und zur Gesetzesänderung um Juli 2011, nach der acht Atomkraftwerke abgeschaltet wurden und alle weiteren schrittweise bis zum Jahr 2022 folgen sollen.Um die Berichterstattung der deutschen Medien über das Fukushima-Unglück zu untersuchen, nahm die Wissenschaftlerin eine Inhaltsanalyse der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Zeit und des Spiegel vor. Dabei stellte sie fest, dass der Fokus der Berichterstattung sehr schnell vom Unglück in Japan zur General-Atomdebatte in Deutschland wechselte. Schon am zweiten Tag ging es vor allem um den Ausstieg aus der Atomenergie – und nicht um Opferzahlen und das Leid der Angehörigen. „Die öffentliche Debatte war sehr emotional, aber die Medien haben versucht, sachlich und neutral zu berichten“, erklärte Dernbach, die in diesem Zusammenhang besonders die Rolle der Wissenschaftler untersucht hat. So war der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar in fast jeder Nachrichtensendung als „Generalaufklärer“ zu sehen. „Und dabei musste er auch Kritik einstecken, weil er den Ball flachgehalten hat“, so Dernbach. Insgesamt kamen in den untersuchten Presseartikeln interessanterweise genauso viele Geisteswissenschaftler wie Physiker und Atomphysiker zu Wort. Den größten Anteil hatten Vertreter aus Forschungs- und anderen Instituten und Vertreter der sonstigen Natur-, Technik- und Ingenieurwissenschaften. „Atomphysiker erklärten die technischen Zusammenhänge, aber die Deutungshoheit ging schnell zu den Geisteswissenschaftlern über“, so Dernbach. Das könne zum einen daran liegen, dass Journalisten nur selten aus dem naturwissenschaftlichen Bereich kommen und die „trockenen Techniker“ für nicht medientauglich halten würden. Zum anderen würde sich aber auch ein großer Teil der Bürger nicht für technische Details interessieren, sondern eher dafür, ob im Zuge energiepolitischer Entscheidungen demnächst eine Leitung durch den eigenen Garten gelegt wird.
Die Vortragsreihe des Instituts wird im kommenden Wintersemester fortgesetzt.