Forschung

Seefahrt
22.12.2016
Robert Schaefer (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Seefahrt und Logistik) beim Versuchsaufbau zur Ansteuerung der Manöverbeckenmodelle über eine mobile Konsole mittels NMEA-Protokoll (National Marine Electronics Association), dem verbreitetsten Standard für die Kommunikation zwischen Navigationsgeräten auf Schiffen.

Robert Schaefer (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Seefahrt und Logistik) beim Versuchsaufbau zur Ansteuerung der Manöverbeckenmodelle über eine mobile Konsole mittels NMEA-Protokoll (National Marine Electronics Association), dem verbreitetsten Standard für die Kommunikation zwischen Navigationsgeräten auf Schiffen. Foto:Jade HS/Oliver Köckritz

Renaissance des Manöverbeckens

Manöverbecken waren einst in der nautischen Ausbildung vorgeschrieben. Dies änderte sich zum neuen Jahrhundert und sie wurden durch Schiffsführungssimulatoren ersetzt. Wenn auch nicht zwingend erforderlich werden sie zwar weiterhin für Ausbildungszwecke genutzt, in den letzten Jahren jedoch vermehrt auch zur angewandten Forschung. Auch wenn Manöverbecken nicht den Anforderungen der großen Schiffbau-Versuchsanstalten gerecht werden können, sind sie für die Forschung in der maritimen Automatisierung und eingeschränkten Schiffsdynamik nutzbar und stellen eine Erweiterung alter Ausbildungstechnik mit modernen Geräten und Verfahren dar. Am Fachbereich Seefahrt und Logistik am Studienort Elsfleth sollen diese Verfahren zur Erprobung von neuartiger Steuerungstechnik für Schiffe realisiert werden.

Die Gegebenheiten nutzen

Oftmals verweist die maritime Forschung nur in ihren Ergebnissen auf die maritime Praxis. Nicht so in Elsfleth. Hier kann die professionelle und internationalen Standards unterliegende nautische Ausbildung schon während des Forschungsprozesses mit einbezogen werden. So wird, wenn möglich, die internationale nautische Praxis mit der Wissenschaft in Einklang gebracht. Weshalb an der Jade Hochschule der weltweite Kodierungsstandard „S-57“ für die elektronische Navigation – auch ENC (Electronical Navigation Chart) genannt – eingehalten und auch in der Forschung angewendet wird. Zunächst erscheint dies nicht gerade besonders, jedoch ist die Einhaltung des Standards in dieser Form eine Rarität, wenn nicht sogar einzigartig an Forschungseinrichtungen dieser Art.

„Nicht nur ein cooles Feature“

„Die Einhaltung real genutzter Standards ist nicht nur ein cooles Feature, sondern vereinfacht die Forschungsarbeit und stellt sie auch gleich in den richtigen Kontext.“, berichtet Oliver Köckritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Seefahrt und Logistik. „Die erhobenen Daten könnten genauso mit XY-Koordinaten beschrieben und später in ihren Kontext gebracht werden. Da die Jade Hochschule jedoch einen nautischen Fachbereich hat und sich die Daten auf jedes nautisches Gerät übertragen lassen, ergibt es für den Studienort Elsfleth Sinn, sich an den Standard zu halten.“

Die zur Navigation nötigen Seekarten sind Pflicht auf jedem Schiff und eine elektronische Seekartendarstellung (ECDIS) wird für bestimmte Schiffstypen ab Juli 2018 vorgeschrieben. „Durch die Einhaltung des Standards kann auch im Manöverbecken diese ENC-Zelle mit allen nautischen Geräten genutzt werden, die Seekarten verarbeiten. Studenten und Wissenschaftler können zusätzlich auf externen Geräten Übungen und Versuchsabläufe vorbereiten“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Holger Korte, der für Forschung und Lehre rund um das Manöverbecken verantwortlich ist. ECDIS vereint dabei objektbezogene Informationen, Sensordaten wie Radar und Echolot sowie Seekartendarstellungen (ENC).
 

Angefangen mit einer Bachelorarbeit

Dabei war das nicht immer so. Frithjof Schröder, ehemaliger Student am Studienort Elsfleth, hat mit seiner Bachelorarbeit den Einsatz von elektronischen Seekarten nach S-57 Standard für das Manöverbecken erstmals möglich gemacht, indem er die Gegebenheiten des Manöverbeckens in einen ENC kodierte, um damit zwischen verschiedenen technischen Einheiten eine einfache Übertragbarkeit für die Forschung zu gewährleisten. Davon habe die Jade Hochschule profitiert, erzählt Köckritz. Seit wenigen Wochen brauchen sie die erhaltenen Daten nicht mehr in XY-Koordinaten umrechnen, sondern können sie direkt nutzen. Ohne Umwege können jetzt Forschungsergebnisse aus anderen Projekten der Forschungsgruppe auf das Manöverbecken übertragen werden. Diese Zeitersparnis macht es möglich Fragestellungen ohne weiteren Aufwand zu untersuchen.

„Hypothetisch können wir unsere Daten nun mit der ganzen Welt austauschen“, erklärt Köckritz. „Forscher können in ihren Simulationen unser Manöverbecken nutzen und wir können deren Ergebnisse in der Realität überprüfen. Gleiches geht natürlich auch andersherum. Das macht die Forschungsarbeit transparenter und nachvollziehbarer. Dabei können ebenfalls Aspekte erkannt werden, die in vereinfachten Darstellungen nicht aufgefallen wären.“
 

Bilder unten (v.l.)

Plausibilitätstest mit Schiffsmodell im Manöverbecken für die geplante kinematische Folge. (Foto: Jade HS/Oliver Köckritz)

Der neue ENC in drei verschiedenen Zoom-Stufen genutzt und angezeigt mit Hilfe des Planungstools aus dem Forschungsprojekt Forschungsprojektes IMaReS (Integratives Manöver Realisierungs-System zur automatischen Schiffsteuerung). Das Manöverbecken ist der Realität entsprechend im Hauptgebäude der Jade Hochschule in Elsfleth verortet (links im Bild) und es wurde bereits realitätsnah eine kinematische Folge für die Fahrt mit einem Modell geplant (rechts im Bild).