Forschung

Hörakustik
25.05.2018
Die neuen Systeme sollen ihren Trägerinnen und Trägern das Gefühl vermitteln, wieder so hören zu können, als hätten sie keine Hörhilfe im Ohr. <span>Foto: fotolia</span>

Die neuen Systeme sollen ihren Trägerinnen und Trägern das Gefühl vermitteln, wieder so hören zu können, als hätten sie keine Hörhilfe im Ohr. Foto: fotolia

Sonderforschungsbereich Hörakustik - Interview mit Prof. Dr. Matthias Blau

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen neuen Sonderforschungsbereich (SFB) „Hörakustik“ bewilligt, der in den kommenden vier Jahren mit voraussichtlich rund acht Millionen Euro gefördert wird (die Jade Welt berichtete). Der SFB mit dem Titel „Hörakustik: Perzeptive Prinzipien, Algorithmen und Anwendungen“ soll die Grundlagen für verbesserte Hörgeräte und Hörassistenzsysteme schaffen. Das Großprojekt wird von der Universität Oldenburg geleitet, die Jade Hochschule ist Projektpartnerin. Prof. Dr. Matthias Blau vom Institut für Hörtechnik und Audiologie der Jade Hochschule leitet zusammen mit Prof. Dr. Simon Doclo von der Universität Oldenburg das Teilprojekt „Multiple input multiple output acoustic earpiece for combined equalization, feedback cancellation and noise reduction“. Im Jade Welt-Interview erklärt Prof. Blau, worum es dabei geht.

JW: Prof. Dr. Matthias Blau, welches Ziel verfolgen Sie in Ihrem Forschungsvorhaben?

Blau: In unserem Teilprojekt wollen wir akustisch offene Hörsysteme der Zukunft mit mehreren miniaturisierten Mikrofonen und Lautsprechern ausstatten. Die neuen Systeme sollen ihren Trägerinnen und Trägern das Gefühl vermitteln, wieder so hören zu können, als hätten sie keine Hörhilfe im Ohr.

JW: Wie kann das funktionieren?

Blau: Wir wollen die Hörgeräte nicht wie bisher mit jeweils einem, sondern mit mehreren Mikrofonen und Lautsprechern ausstatten. Dadurch wird die Qualität des Hörens verbessert. Wenn man ein Hörgerät trägt, fühlt es sich an, als würde man sich mit einem Finger das Ohr zuhalten: Man kann natürlich schlechter hören und auch die eigene Stimme hört sich komisch an. Um das zu vermeiden, wollen wir die neuen Systeme offen gestalten, das bedeutet, sie bekommen in der Mitte ein Loch.

JW: Welche Herausforderungen gibt es dabei?

Blau: Dabei stehen wir vor drei Herausforderungen: Durch die Mehrzahl an Lautsprechern und Mikrofonen steigt die Gefahr einer Rückkopplung – wie unangenehm der schrille Pfeifton ist, wissen alle Hörgeräteträger. Wir müssen ein System entwickeln, das diese Rückkopplungen verhindert. 
Das zweite Problem ist, dass bei einem offenen Hörsystem auch Störgeräusche leichter ins Ohr eindringen können. Aktive Lärmminderungskonzepte müssen erarbeitet werde - kompliziert, denn es kommt auf die spezielle Situation an, was als Lärm bzw. Störgeräusch wahrgenommen wird.
Zudem wollen wir als Ergänzung des offenen Hörgerätes ein Modell des Restgehörgangs herstellen, das den Schall so zum Trommelfell leitet, als wäre kein Hörgerät vorhanden. Das nennt man akustische Transparenz. Der Gehörgang ist natürlich bei jedem Menschen unterschiedlich geformt, sodass das System individuell angepasst werden muss.

JW: Die Projektbewilligung durch die DFG ist ein großer Erfolg. Wie viel Arbeit ging der Bewilligung voraus?
Blau: Vorausgegangen ist insbesondere unsere Arbeit in der Forschergruppe „Individualisierte Hörakustik“, die seit 2011 durch die DFG gefördert wird. Wir haben in 2016 angefangen den Antrag für den Sonderforschungsbereich zu planen. Im Herbst 2016 haben wir eine Projektskizze eingereicht, die begutachtet und zur Förderung empfohlen wurde, sodass wir im Herbst 2017 einen Vollantrag einreichen „durften“. Im Februar 2018 waren dann internationale Gutachter bei uns vor Ort, die uns mit Fragen „ausgequetscht“ haben. Die Chance der Bewilligung eines Sonderforschungsbereiches ist eher klein – umso mehr freuen wir uns, dass er nun bewilligt wurde.

JW: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihr Projekt!


Bild unten: Prof. Dr. Matthias Blau. (Foto: Dr. Ralph Nolte-Holube/Jade HS)